Spielplätze in Berlin

Regenbogen - © Little Amina

Es gibt so und soviel Spielplätze in Berlin. Nach Bezirken sind viele dort und dort, wenige dort und dort. Gemessen an der Kinderanzahl bestehen aber trotz der gut klingenden Zahlen Defizite im Verhältnis. So werden in dem und dem Bezirk Spielplätze benötigt, dieser und jener Bezirk ist dagegen relativ gut bestückt.

Diese Rechnung ist auf der Basis von Statistiken schnell gemacht. Man neigt dazu, sich im Bild zu wähnen, wenn man diese Zahlen vor Augen hat. Zu glauben, man wüßte woran es Kindern in unserer Stadt mangelt. Doch ist die Rechnung wirklich so einfach, wie sie scheint?

Beim Schlendern durch die Stadt kommt man immer wieder an vollkommen menschenleeren Spielplätzen vorbei. Dieses Phänomen nimmt man zunächst als selbstverständlich hin, erst durch die Häufigkeit dieser Beobachtung erwächst langsam ein Gefühl, dass da etwas nicht stimmt. Wie kann es sein, dass es einerseits zu wenige Spielplätze gibt, andererseits die wenigen vorhandenen keine magnetische Anziehungskraft auf die Kinderscharen der Umgebung ausüben?

Nimmt man diese Spielplätze näher unter die Lupe, fällt auf dass sie meist sehr trostlos und langweilig erscheinen: ein Sandkasten, ein Klettergerüst, eine Kletterstange, ein Bänkchen für die Mutti … Sehr viel mehr haben solche Spielplätze oft nicht zu bieten. Oft sind sie zudem eingeklemmt zwischen hohen Häuserblocks, in einem schattigen Winkel und mit zahlreichen großen Bäumen zusätzlich abgedunkelt. Welches Kind würde sich an solch einem Ort lange wohlfühlen?

Dieser Gedanke war Spielplatzplaner vor etwa zehn, zwanzig Jahren vermutlich auch gekommen. Und so wurde die Idee, einen themenbezogenen Spielplatz zu bauen, ins Leben gerufen. Bei den Kindern wurde sie zu einem echten Highlight. Ab sofort besuchten sie nicht einfach den Spielplatz um die Ecke, sondern das indianische Dorf, in dem bunt bemalte Holzzelte standen, wo es einen Totempfahl gab und Baumhäuser erklettert werden konnte. Die Kinder tauchten in die Welt eines hiesigen Bauerhofes, mit Holzschafen und -hühnern, Stallattrapen und allerlei landwirtschaftlichem Gerät. Es gab afrikanische Kinderspielplätze, die von künstlichen Palmen umstanden waren und auf denen Elefanten, Löwen und Giraffen aus buntbemaltem Holz herumstolzierten. Bis heute zählen diese Spielplätze zu den beliebtesten der Kinder.

Trotz des Erfolgs dieses Konzepts sollte man an dieser Stelle gedanklich nicht stehen bleiben. Die heutige Welt entwickelt sich in einem rasenden Tempo. Dinge, die uns heute begeisterten, sind morgen zum Alltag geworden. Planerisch muß man der Gesellschaft immer einen Schritt voraus sein und zukünftige Entwicklungen erahnen.

Durch unsere multikulturelle Gesellschaft wird das Zusammenleben mit Menschen, die anders aussehen, anders fühlen und denken, als wir es gelernt haben zur Selbstverständlichkeit. Wir fragen immer weniger, woher kommst Du, wie leben die Menschen in deiner Heimat, welchen Glauben hast du. Es tritt eine Nivellierung kultureller Unterschiede ein und meist sind es die Zugezogenen, die sich an die hiesige gesellschaftliche Norm anpassen.

Anstelle der langsam gewachsenen Kulturen in den vielen Ländern der Welt,
entwickelt sich heute eine Art digitaler Scheinwelt, die durch das Internet, insbesondere die Social Media Kanäle existiert. Was ist wahr, was ist Betrug? Das Internet baute eine scheinbar perfekte Welt auf, in der sich jeder Teilnehmer so präsentieren kann, wie er sich selbst gerne sieht. Alle seine Imperfektionen, seine spontanen Gefühle können auf spielerischer Weise ausgeklammert werden. Man kann seinen Namen selbst wählen, seine Portraitbilder manipulieren, man kann Informationen über sich verbreiten, ob sie stimmen oder nicht. Wer sollte es nachprüfen? Die Realität hat keine Bedeutung.

Wie kann man den Wunsch nach einer solchen neutralen und makellosen Welt auf einen Kinderspielplatz übertragen? Diese Frage bedarf einiger Reife, um Früchte in Form von Antworten zu erzeugen.

Das Web 2.0 hat die Individualisierung innerhalb der Gesellschaft vorangetrieben. Durch Social Media kann jeder Einzelne sich selbst einem großen Publikum mitteilen – wer Scheu davor hat, seine Identität preiszugeben auch unter dem Deckmantel der Anonymität. Gleichzeitig verlieren die verwaltenden Organ innerhalb der Gesellschaft an Macht und Einfluss. Diese Entwicklung wirkt sich bis in die letzten Atome der Gesellschaft aus. Auch unsere Kinder sind dieser Entwicklung unterworfen und formen dementsprechend auch Wünsche und Neigungen aus.

Wie sieht der Spielplatz der Zukunft aus? Vor dem beschriebenen Hintergrund können Erwachsene diese Frage eigentlich nicht beantworten. Die Antwort heißt, Kinder entwickeln ihren Spielplatz selbst. Sie ersinnen auf der Grundlage ihres Wissen die Spielwiese, die sie brauchen, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln, ihre Wünsche zu verwirklichen und sehr viel Spaß beim Spielen zu haben.

Die herkömmlichen Spielkonzepte werden in Zukunft der digitalen Modernität nicht mehr lange standhalten können. Wie alles unterliegen auch sie der Vergänglichkeit. Ob afrikanisches Dorf, indiansches Lager oder hiesiger Bauernhof – vermutlich schon bald haben solche historisch angesetzten Spielplatzmotive ihren Reiz verloren. Der Bezug zur sozialmedialisierten Wirklichkeit der Kinder, wird sich verwischen, genauso wie die Kulturunterschiede in unserer multikulturellen Gesellschaft verflachen. Am Ende muß der Schmetterling sich selbst aus eigener Kraft aus seinem Kokon befreien, damit er in der Lage ist, seinen Flug in aller Farbenpracht zu beginnen.



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